Hebräer 4 – In seine Ruhe eingehen
A. Wie man in die Ruhe Gottes eingeht.
1. (1-2) Die Warnung wird wiederholt: Versäumt nicht die Ruhe Gottes.
So lasst uns nun mit Furcht darauf bedacht sein, dass sich nicht etwa bei jemand von euch herausstellt, dass er zurückgeblieben ist, während doch die Verheißung zum Eingang in seine Ruhe noch besteht! Denn auch uns ist eine Heilsbotschaft verkündigt worden, gleichwie jenen; aber das Wort der Verkündigung hat jenen nicht geholfen, weil es bei den Hörern nicht mit dem Glauben verbunden war.
a. So: Der Gedanke aus Kapitel 3, dass Unglaube die Generation, die aus Ägypten geflohen war, daran hinderte, nach Kanaan einzuziehen, wird hier wieder aufgegriffen. Die Verheißung zum Eingang in seine Ruhe besteht noch und wir können durch Glauben in diese Ruhe eingehen. Unglaube führt dazu, dass wir die Ruhe, die Gott uns bereitet hat, nicht erleben.
i. Der puritanische Ausleger John Owen beschrieb fünf Merkmale dieser Ruhe für den Gläubigen:
· Ruhe bedeutet Friedenmit Gott.
· Ruhe bedeutet frei von einer sklavenartigen Haltung in der Anbetung und dem Dienst für Gott zu sein.
· Ruhe bedeutet Befreiung von der Last, das mosaische Gesetz einhalten zu müssen.
· Ruhe bedeutet die Freiheit,Gottso anzubeten, wie wir das in den Evangelien sehen.
· Ruhe meint die Ruhe, die Gott selbst genießt.
b. Lasst uns nun mit Furcht darauf bedacht sein, dass sich nicht etwa bei jemand von euch herausstellt, dass er zurückgeblieben ist:Dieser Ort der Ruhe ist so herrlich, dass es uns beunruhigen sollte, wenn andere oder wir selbst zurückgeblieben sind. Es ist nicht genug, beinahe in diese Ruhe einzutreten, wir wollen diese Ruhe nicht versäumen.
i. Adam Clarke über „zurückgeblieben sein”: „Der Hebräerbrief enthält viele Anspielungen und Hinweise. Der Autor spielt hier auf die Rennen bei den griechischen Spielen an: Zurückgeblieben war jeder, der hinter dem Sieger im Ziel ankam, wie kurz der Abstand zwischen den beiden auch war“.
c. Denn auch uns ist eine Heilsbotschaft verkündigt worden, gleichwie jenen: Das Wort Gottes zu hören ist nicht genug. Die Israeliten hatten damals das Wort gehört, aber es hatte ihnen nicht geholfen, weil sie es nicht im Glauben aufnahmen. Das Hören war die Voraussetzung, aber es war für sie nur von Vorteil, wenn es mit Glauben verbunden war.
d. Mit Glauben verbunden: Man kann das Wort Gottes hören und geistliche Erfahrungen machen, wenn aber das Werk Gottes nicht mit Glauben verbunden ist, nützt es nicht. Dies erklärt, warum zwei Menschen die gleiche Botschaft hören können, die den einen voranbringt, während sie dem anderen nichts nützt. Es zeigt auch, dass dort, wo mehr Glaube ist, wo mehr Segen und Gunst Gottes erwartet wird, auch mehr Segen erfolgt.
i. Clarke über „verbunden“: „Dies ist eine Metapher, die der Ernährung des menschlichen Körpers entlehnt wurde. Die Nahrung wird mit Speichel und Magensaft verbunden und in den Magen transportiert. (…) Von diesem Prozess sind unser Leben, unsere Gesundheit und Kraft (in Gott) abhängig“.
ii. Denke an die Freude, die Israel erlebte, als es aus Ägypten herauszog und sich dem Verheißenen Land näherte und dann denke an all die Gräber, die in der Wüste gegraben wurden. Eine wunderbare Verheißung war verfügbar, wurde aber nicht erreicht. Sie blieben zurück, weil das Wort Gottes, obwohl sie es hörten, nicht mit Glauben verbunden war.
2. (3-9) Beweis dafür, dass eine „Ruhe” für das Volk Gottes verbleibt.
Denn wir, die wir gläubig geworden sind, gehen in die Ruhe ein, wie er gesagt hat: „Dass ich schwor in meinem Zorn: Sie sollen nicht in meine Ruhe eingehen“. Und doch waren die Werke seit Grundlegung der Welt beendigt; denn er hat an einer Stelle von dem siebten [Tag] so gesprochen: „Und Gott ruhte am siebten Tag von allen seinen Werken“, und an dieser Stelle wiederum: „Sie sollen nicht in meine Ruhe eingehen!“ Da nun noch vorbehalten bleibt, dass etliche in sie eingehen sollen, und die, welchen zuerst die Heilsbotschaft verkündigt worden ist, wegen ihres Unglaubens nicht eingegangen sind, so bestimmt er wiederum einen Tag, ein „Heute“, indem er nach so langer Zeit durch David sagt, wie es gesagt worden ist: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht!“ Denn wenn Josua sie zur Ruhe gebracht hätte, so würde nicht danach von einem anderen Tag gesprochen. Also bleibt dem Volk Gottes noch eine Sabbatruhe vorbehalten.
a. Dass ich schwor in meinem Zorn: Dieses Zitat aus Psalm 95,11 zeigt, dass Gott uns eine Ruhe zur Verfügung stellt. Diese Ruhe folgt dem gleichen Muster wie die Ruhe, die er „am siebten Tag von seinem ganzen Werk, das er gemacht hatte,“ einhielt (1.Mose 2,2).
b. Da nun noch vorbehalten bleibt, dass etliche in sie eingehen sollen: Gott hat diesen Ort der Ruhe nicht vergeblich geschaffen. Wenn Israel (welchem zuerst die Heilsbotschaft verkündigt worden ist) wegen seines Unglaubens nicht in die Ruhe eingehen konnte, würde jemand anderes in diese Ruhe eingehen.
c. Heute, wenn ihr seine Stimme hört: Der Appell in Psalm 95,7-8 beweist, dass diese Ruhe, in die das Volk Israel einziehen kann, über die unmittelbare Erfüllung unter Josua hinausgeht. Wenn Josua die Verheißung der Ruhe vollständig erfüllt hätte, wäre Gottes Appell durch David, in dem er „heute“ sagt, unlogisch.
d. Also bleibt dem Volk Gottes noch eine Sabbatruhe vorbehalten: Dies alles beweist die Tatsache, dass dem Volk Gottes eine Sabbatruhe vorbehalten ist. Es ist eine geistliche Ruhe, trotzdem ist sie der Ruhe, die durch Josua möglich gemacht wurde, nachempfunden.
i. Die Erwähnung Josuas erinnert uns daran, dass der Name „Jesus“ und der Name Josua identisch sind. Der zweite Josua wird das vollenden, was der erste Josua nicht vollendete. Jesus ist größer als Mose und der erste Josua.
ii. Diese Ruhe ist in einer Person gegründet – in Jesus Christus – und nicht so sehr in Glaubenslehren- und grundsätzen. Wenn man ein weinendes, aufgewühltes Kind sieht und versucht, es zu trösten und zu beruhigen, indem man Ideen und Logik vorbringt, wirst man ihm damit nicht helfen. Wenn aber die Mutter kommt, ist das Kind schnell wieder fröhlich.
iii. Wer diese Ruhe predigt, muss sie auch selbst besitzen. „Vor kurzem predigte einer unserer Pastoren über Errettung und das Werk des Geistes in den Herzen, als jemand aus der Versammlung aufstand und voller Respekt fragte: ‚Werter Herr, wissen Sie all dies durch Berichte anderer oder haben Sie es selbst erfahren?’ Der Prediger war über diese Frage überhaupt nicht aufgebracht, sondern freute sich darüber, denn er konnte aufrichtig erwidern: ‚Ich habe Christus vertraut. Ich bin errettet und ich kenne und fühle den Frieden, der daraus resultiert.’ Wenn er diese feierliche Aussage nicht hätte treffen können, hätte er keinerlei Einfluss auf die Person haben können, die diese Frage gestellt hatte“. (Spurgeon)
3. (10) Ruhe bedeutet, die eigenen Werke nicht fortzuführen.
Denn wer in seine Ruhe eingegangen ist, der ruht auch selbst von seinen Werken, gleichwie Gott von den seinen.
a. Denn wer in seine Ruhe eingegangen ist, der ruht auch selbst von seinen Werken:In diese Ruhe einzugehen heißt, nicht länger arbeiten zu müssen. Das bedeutet nicht, dass es keinen Platz für gute Werke mehr gibt, sondern dass Werke nicht die Grundlage für unsere Gerechtigkeit sein können.
b. Der ruht auch selbst von seinen Werken, gleichwie Gott von den seinen: Diese Beendigung der Werke als Grundlage für unsere Gerechtigkeit erfüllt unsere „Sabbatruhe“. Gott ruhte am ersten Sabbat in 1.Mose 2,2 von seinen Werken, weil sie vollendet waren. Wir hören mit unserem Versuch auf, uns durch eigene Werke zu rechtfertigenden, weil Jesus das Werk am Kreuz vollendet hat.
4. (11) Nimm die Einladung, durch Glauben in Gottes Ruhe einzugehen, an.
So wollen wir denn eifrig bestrebt sein, in jene Ruhe einzugehen, damit nicht jemand als ein gleiches Beispiel des Unglaubens zu Fall kommt.
a. So wollen wir denn:Dieser Ausdruck kommt im Hebräerbrief häufig vor. Eine glaubensentscheidende Wahrheit wird vorgestellt – die Wahrheit, dass die bleibende Ruhe durch Glauben verfügbar ist, – und dann erklärt.
b. Eifrig bestrebt sein, in jene Ruhe einzugehen: Die Ruhe ist verfügbar, aber Gott zwingt sie uns nicht auf. Wir müssen in diese Ruhe eingehen. Ganz offensichtlich kann man durch Glauben in diese Ruhe eingehen, aber dazu ist eifriger Glaube notwendig. Das zeigt uns, dass Glaube nicht passiv ist. Es ist Eifer notwendig, auf Jesus und sein Werk für uns zu vertrauen, sich darauf zu verlassen und bei ihm zu bleiben.
c. Damit nicht jemand als ein gleiches Beispiel des Unglaubens zu Fall kommt: Wenn wir nicht eifrig bestrebt sind, in jene Ruhe einzugehen, kann das Ergebnis ein furchtbares Ereignis sein. Wir kommen vielleicht genauso zu Fall wie die Beispiele des Unglaubens und die Kinder Israels in der Wüste.
5. (12-13) Enthüllt durch das Wort Gottes.
Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und es dringt durch, bis es scheidet sowohl Seele als auch Geist, sowohl Mark als auch Bein, und es ist ein Richter der Gedanken und Gesinnungen des Herzens. Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern alles ist enthüllt und aufgedeckt vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft zu geben haben.
a. Denn das Wort Gottes: Gottes Wort diagnostiziert den Zustand des Menschen mit der Präzision eines Chirurgen. Es legt unser Herz bloß und beurteilt unsere geistliche Gesundheit. Hier zeigt es auf, dass die Gläubigen, an die der Hebräerbrief ursprünglich adressiert war, waren allzu sehr bereit waren, das Versagen Israels nachzuahmen und den starken, lebendigen Glauben aufzugeben.
b. Lebendig und wirksam: Wenn das Wort Gottes unsere Schwächen und unseren Unglauben auf diese Art und Weise aufdeckt, verdeutlicht es damit auch, dass es Macht, Schärfe und Genauigkeit besitzt. Es erinnert uns beständig daran, dass wir uns dem Wort Gottes aus weit gewichtigeren Gründen unterwerfen als dem Wunsch nach intellektuellem Wissen oder dem Verlangen, biblische Tatsachen kennenzulernen. Wir tun es wegen dem Dienst des Wortes, weil Gott uns in seinem Wort begegnet und der Heilige Geist auf machtvolle Art und Weise durch das Wort Gottes wirkt. Dieser geistliche Dienst des Wortes Gottes geht weit über den grundlegenden bildenden Wert, die Bibel kennen zu lernen, hinaus.
i. Gottes Wort gibt dem, was wir tun, wahre Gesundheit, Fruchtbarkeit, Wohlstand und Erfolg (Psalm 1,3).
ii. Das Wort Gottes hat heilende Kraft und die Macht, aus Unterdrückung zu befreien (Psalm 107,20; Matthäus 8,8, Matthäus 8,16).
iii. Das Wort Gottes reinigt uns. Wenn wir uns nach dem Wort Gottes richten, wird unser Weg gereinigt sein (Psalm 119,9; Johannes 15,3; Epheser 5,26).
iv. Das Wort Gottes, das wir in unseren Herzen bewahren, hält uns von der Sünde fern (Psalm 119,11).
v. Gottes Wort ist ein Ratgeber. Wenn wir uns am Wort Gottes erfreuen, wird es uns zu einer reichhaltigen Quelle der Wegweisung und führt uns (Psalm 119,24).
vi. Gottes Wort ist eine Quelle der Kraft (Psalm 119,28).
vii. Gottes Wort gibt Leben. Es ist eine fortwährende Quelle des Lebens (Psalm 119,93 und Matthäus 4,4).
viii. Gottes Wort ist eine Quelle der Erleuchtung und Führung. Wo das Wort Gottes eingelassen wird, kommt Licht hinein. Es macht den Unverständigen einsichtig und weise (Psalm 119,105 und Psalm 119,130).
ix. Gottes Wort gibt denen Frieden, die es lieben. Sie sind sicher und nichts bringt sie zu Fall (Psalm 119,165).
x. Wo das Wort Gottes gehört und verstanden wird, bringt es Frucht (Matthäus 13,23).
xi. Das Wort Gottes hat Macht und Autorität gegen dämonische Mächte (Lukas 4,36).
xii. Jesus selbst – seine ewige Person – wird als das Wort beschrieben. Wenn wir im Wort Gottes sind, sind wir in Jesus (Johannes 1,1).
xiii. Das Wort Gottes zu hören ist für unser ewiges Leben existentiell. Niemand kann vom Tod zum Leben gelangen, ohne das Wort Gottes gehört zu haben (Johannes 5,24; Jakobus 1,21; 1.Petrus 1,23).
xiv. Im Wort Gottes zu bleiben und zu leben ist Beweis für wahre Jüngerschaft (Johannes 8,31).
xv. Das Wort Gottes ist das Mittel zur Heiligung (Johannes 17,17).
xvi. Der Heilige Geist kann mit großer Kraft wirken, wenn das Wort Gottes gepredigt wird (Apostelgeschichte 10,44).
xvii. Das Wort Gottes zu hören vertieft den Glauben (Römer 10,17).
xviii. Das Wort Gottes gibt uns Glaubensgewissheit (1.Korinther 15,2).
xix. Der treue Umgang mit dem Wort Gottes gibt den Dienern des Wortes ein reines Gewissen. Sie wissen, dass sie vor Gott alles getan haben, was ihnen möglich war (2.Korinther 4,2 und Philipper 2,16).
xx. Das Wort Gottes ist das Schwert des Geistes. Es ist die Ausrüstung für den geistlichen Kampf, besonders als Angriffswaffe (Epheser 6,17).
xxi. Das Wort Gottes geht einher mit der Kraft des Heiligen Geistes, mit „großer Gewissheit” (1.Thessalonicher 1,5).
xxii. Das Wort Gottes wirkt effektiv in denen, die glauben (1.Thessalonicher 2,13).
xviii. Das Wort Gottes heiligt die Nahrung, die wir zu uns nehmen (1.Timotheus 4,5).
xxiv. Das Wort Gottes ist nicht tot, es ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert. Das Wort Gottes kann uns untersuchen wie das Skalpell eines Chirurgen, das alles Notwendige wegschneidet und erhält, was wichtig ist (Hebräer 4,12).
xxv. Das Wort Gottes ist die Quelle geistlichen Wachstums für den Christen (1.Petrus 2,2 und 1.Korinther 2,1-5).
c. Ist lebendig und wirksam:Es ist kein Wunder, dass der Verfasser der Hebräerbriefs dies sagen kann. Die Bibel ist keine Ansammlung modriger Geschichten und Mythen. Sie birgt Leben und Kraft. Der Prediger macht die Bibel nicht lebendig. Die Bibel ist lebendig und sie gibt dem Prediger und jedem, der es im Glauben annimmt, Leben.
i. Wirksam: Etwas kann lebendig und doch untätig sein. Aber das Wort Gottes ist lebendig und aktiv, es ist wirksam.
d. Schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und es dringt durch, bis es scheidet sowohl Seele als auch Geist, sowohl Mark als auch Bein: Gottes Wort spricht zu uns mit unglaublicher Präzision und der Heilige Geist macht möglich, dass das Wort Gottes tief in unseren Herzen wirken kann.
i. Oft wundern sich die Leute, wie der Prediger es schafft, dass seine Botschaft für ihr Leben so passend sein kann. Manchmal fragen sie sich wirklich, ob der Prediger geheime Informationen über ihr Leben besitzt. Aber das liegt nicht notwendigerweise am Prediger. Es ist die Schärfe des Wortes Gottes, welches die Botschaft zum richtigen Empfänger bringt.
ii. „Ein zweischneidiges Schwert hat keine stumpfe Seite: Es schneidet beidseitig. Die durch die Heilige Schrift gegebene Offenbarung Gottes schneidet in alles ein. Jeder Teil ist völlig lebendig und jederzeit bereit, das Gewissen zu schneiden und das Herz zu verwunden. Vertrau darauf, dass es keinen einzigen überflüssigen Vers in der Bibel und kein einziges nutzloses Kapitel gibt“. (Spurgeon)
iii. „Obwohl es Schneiden wie ein Schwert hat, hat es auch eine Spitze wie ein Degen und ist so durchdringend, dass es Seele und Geist scheidet. Die Schwierigkeit bei den Herzen einiger Menschen liegt darin, überhaupt dorthin vorzustoßen. Tatsächlich ist das geistliche Durchschneiden des Herzens eines Menschen ohne dieses schneidende Instrument – das Wort Gottes – gar nicht möglich. Aber der Dolch der Offenbarung wird alles durchdringen“. (Spurgeon)
e. Sowohl Seele als auch Geist: Der Verfasser des Hebräerbriefes unterscheidet zwischen Seele und Geist und macht damit deutlich, dass man das eine vom anderen scheiden kann.
i. Ganz sicher gibt es gewisse Unterschiede zwischen Seele und Geist. „Das Neue Testament gebraucht das Wort pneuma für den menschlichen Geist und meint damit den geistlichen Teil des Menschen, also sein Leben in der Beziehung zu Gott. Das Wort psyche hingegen bezieht sich auf das Leben des Menschen abgesehen von seinen geistlichen Erfahrungen, auf seine Beziehung zu sich selbst, auf seine Emotionen und Gedanken. In der paulinischen Theologie besteht zwischen beiden ein starker Gegensatz“. (Guthrie)
ii. Aber dieser Abschnitt dient nicht der Betonung der theologischen Unterschiede zwischen Seele und Geist. „Alle Versuche, [diese Begriffe] auf psychologischer Ebene zu erklären sind überflüssig. Die Ausdrucksweise ist poetisch und verdeutlicht, dass das Wort bis in die innersten Tiefen unseres geistlichen Wesens durchdringt, so, wie das Schwert in einem Körper durch Mark und Bein dringt“. (Vincent)
iii. Trotzdem ist es wichtig zu wissen, was die Bibel unter den Begriffen Seele und Geist versteht. Die Bibel sagt uns, dass der Mensch eine „äußere“ und „innere“ Natur besitzt (1.Mose 2,7; 2.Kor.4,16). Der innere Mensch wird mit den Begriffen Geist (Apg. 7,59; Matthäus 26,41; Joh.4,23-24) und Seele (1.Petrus 2,11; Hebräer 6,19; Hebräer 10,39) beschrieben. Diese beiden Begriffe werden oft im selben Atemzug gebraucht, als allgemeiner Bezug auf den inneren Menschen. Aber dies trifft nicht immer zu. Manchmal wird zwischen Seele und Geist eine Unterscheidung getroffen. Man kann sagen, dass sich der Begriff Seele eher auf die Persönlichkeit des inneren Menschen bezieht, auf den Verstand, den Willen und die Emotionen des Menschen. Der Geist bezieht sich mehr auf die Verbindung mit der geistlichen Welt und auf die Kraft im inneren Menschen.
iv. Bibelstellen wie Hebräer 4,12 und 1.Thessalonicher 5,23 belegen eindeutig, dass sich die Begriffe Seele und Geistin gewisser Weise unterscheiden. Andere Bibelstellen, z.B. Hiob 7,11 und Jesaja 26,9 machen deutlich, dass beide Begriffe manchmal so gebraucht werden, dass sie sich generell auf den inneren Menschen beziehen.
v. Weil sich Seele und Geist beide auf den „inneren Menschen“ beziehen, bringt man sie leicht durcheinander. Oft „segnet“ ein Erlebnis, das eigentlich den Geist aufbauen sollte, nur die Seele. „Seelisches“ Aufgebracht sein oder „seelischer“ Segen sind nicht falsch, aber sie beinhalten nichts, was uns geistlich aufbaut. Aus diesem Grund ziehen viele Christen von einem aufregenden Erlebnis zum anderen, aber wachsen niemals wirklich geistlich – der Dienst, den sie empfangen, ist „seelisch“. Deswegen ist das Wort Gottes so machtvoll und präzise: es scheidet sowohl Seele als auch Geist, vollbringt also etwas, dass nicht einfach ist.
vi. „Hier wird zwischen Seele und Geist unterschieden. Das erste bezeichnet den untergeordneten Bereich, mit dessen Hilfe wir an das denken und uns das wünschen, was unser gegenwärtiges Leben betrifft. Mit dem Begriff Geist wird dagegen eine übergeordnete Macht beschrieben, mit deren Hilfe wir zukünftige Dinge über gegenwärtige stellen“. (Clarke)
vii. Die Begriffe Fleisch (Kolosser. 2,5; Matthäus 26,41; Galater. 5,16-17) und Leib (Römer 6,6; Römer 8,13; 1.Korinther. 6,13 und 6,19-20) beschreiben den äußeren Menschen. Diese Ausdrücke – Fleisch und Leib – beinhalten scheinbar auch solche Bereiche unserer Persönlichkeit wie Sinne und Gewohnheiten. Wenn wir unserem Fleisch erlauben, unsere Gedanken und Taten zu leiten, endet dies in geistlichem Ruin. Gott möchte, dass wir nicht von unserem Geist, nicht vom Fleisch und auch nicht von der Seele geleitet werden.
f. Alles ist enthüllt und aufgedeckt vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft zu geben haben: Niemand kann sich vor Gott verstecken. Er sieht unser Herz und weiß, wie er es anrühren muss und wir müssen ihm darüber Rechenschaftgeben, wie wir auf seine Berührung reagieren.
i. Enthüllt erinnert uns an Adam und Eva im Garten Eden und daran, dass Gott ihre Nacktheit sah. Sie konnten sich vor Gott nicht verstecken und auch wir können das nicht.
ii. Aufgedeckt ist die Übersetzung des griechischen Wortes trachelizo. Es wird nur an dieser Stelle im Neuen Testament gebraucht. Es wurde verwendet um Ringkämpfer zu beschreiben, die ihre Gegner so kraftvoll im Nacken packten, dass dieser Griff ihnen den Sieg einbrachte. Daher kann das Wort auch “sich niederwerfen“ oder „etwas zu Fall bringen“ bedeuten, obwohl viele Gelehrte die einfache Übersetzung dieses Wortes, „aufdecken“ im Sinne von „einen Gegner bloßstellen und ihn bezwingen“, vorziehen.
iii. Im Lichte des Kontextes wird deutlich, dass der Autor des Hebräerbriefes darauf vertraut, dass er in die Herzen seiner Leser vorgedrungen ist, die ja kurz davor standen, Jesus aufzugeben. In diesem Abschnitt macht er deutlich, dass sie es vor Gott nicht verbergen können, wenn sie Jesus den Rücken zukehren. Das Wort Gottes entlarvt sie.
B. Jesus unser Hohepriester.
1. (14) Jesus, unser großer Hohepriester.
Da wir nun einen großen Hohenpriester haben, der die Himmel durchschritten hat, Jesus, den Sohn Gottes, so lasst uns festhalten an dem Bekenntnis!
a. Da wir nun einen großen Hohenpriester haben: Der Gedanke, dass Jesus unser Hohepriester ist, wurde schon zuvor erwähnt (Hebräer 2,17 und 3,1). Aber jetzt wird der Gedanke detaillierter ausgeführt.
b. Da wir nun: Der Verfasser des Briefes an die Hebräer lenkt die Aufmerksamkeit auf den spezifischen, einzigartigen Charakter Jesu als unseren Hohenpriester.
· Kein anderer Hohepriester war jemals groß genannt worden.
· Kein anderer Hohepriester … hat die Himmel durchschritten.
· Kein anderer Hohepriester ist der Sohn Gottes.
c. So lasst uns festhalten an dem Bekenntnis! Es ist wunderbar zu wissen, dass wir einen Hohepriester haben und dass er einzigartig und erhaben ist. Es ist noch wunderbarer zu wissen, dass er die Himmel durchschritten hat, dass er in den Himmel aufgefahren ist und jetzt dort für uns eintritt. Diese beiden Wahrheiten sollten uns dazu ermutigen, an unserem Bekenntnis festzuhalten.
2. (15) Unser Hohepriester hat Mitleid mit uns.
Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der kein Mitleid haben könnte mit unseren Schwachheiten, sondern einen, der in allem versucht worden ist in ähnlicher Weise [wie wir], doch ohne Sünde.
a. Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der kein Mitleid haben könnte: Der Verfasser des Hebräerbriefes hat bereits sorgfältig die Gottheit Jesu (Hebräer 1,4-14) und auch die Tatsache, dass er zugleich ganz Mensch war (Hebräer 2,5-18), dargelegt. Das bedeutet, dass Jesus, als Gott der Sohn, der zur Rechten des Vaters im Himmel sitzt, unser Hohepriester, Mitleid mit unseren Schwachheiten hat.
i. Für die Griechen in dieser Zeit war die Haupteigenschaft eines Gottes apatheia, die grundsätzliche Unfähigkeit, irgendetwas zu fühlen. Jesus ist nicht so. Er weiß und fühlt, was wir durchmachen. Das griechische Wort für „Mitleid haben“ bedeutet wörtlich übersetzt „mit jemandem mit leiden“.
ii. Jesus fügte seiner Gottheit das Mensch sein hinzu und lebte unter uns. Wenn man vor Ort gewesen ist, macht es einen Unterschied. Wir können von einer Tragödie an einer Schule hören und gewisses Bedauern empfinden. Aber das ist nicht vergleichbar mit dem Schmerz, den wir empfinden, wenn es sich um die Schule handelt, die wir besucht haben.
b. Der in allem versucht worden ist in ähnlicher Weise [wie wir], doch ohne Sünde: Jesus weiß, wie es ist versucht zu werden und gegen die Sünde zu kämpfen, obwohl er nie von Sünde beschmutzt war. „Seine Sündlosigkeit war zumindest teilweise eine verdiente Sündlosigkeit, weil er in dem immerwährenden Kampf gegen die Versuchung, die das Leben in dieser Welt mit sich bringt, Sieg um Sieg errungen hat“. (Morris)
i. Manchmal denken wir, dass Jesus Versuchung nie so kennen konnte wie wir, weil er Gott ist. Teilweise stimmt das: Jesus stand viel härteren und stärkeren Versuchungen gegenüber als wir sie jemals erfahren haben oder jemals erfahren werden. Der eine, der ohne Sünde war, kennt die Sünde auf eine Art und Weise, wie wir sie nicht kennen, weil nur der, der nie der Versuchung nachgibt, die wahre Kraft der Versuchung kennt. Es stimmt, dass Jesus Versuchung niemals auf diese innere Art und Weise erfahren hat, wie wir sie erleben, weil er nie eine sündige Natur hatte, die ihn von innen heraus zur Sünde zog. Aber er kannte die Kraft und Wut der äußerlichen Versuchung auf eine Art und Weise, die wir niemals erfahren können und bis zu einem Ausmaß, das wir nie erleben werden. Er weiß, was wir durchmachen und hat weitaus Schlimmerem gegenüber gestanden.
ii. „Und doch erduldete er jede Art der Prüfung, die ein Mensch erfahren kann, triumphierend, ohne im Glauben an Gott schwach zu werden und ohne im Gehorsam an Gott nachzulassen. Solche Ausdauer erfordert mehr, nicht weniger als durchschnittliches menschliches Leiden“. (Bruce)
c. Mitleid haben könnte mit unseren Schwachheiten, sondern einen, der in allem versucht worden ist: Jesus kann mit unseren Schwachheiten und unseren Versuchungen Mitleid haben, aber er kann nicht mit unserer Sünde Mitleid haben. Wir sollten nicht denken, dass Jesus deswegen weniger Mitleid mit uns hat und dass er uns besser verstehen könnte, wenn er selbst gesündigt hätte.
i. „Hört mir zu. Denk nicht, dass der Herr Jesus, wenn er selbst gesündigt hätte, dir gegenüber mitfühlender wäre, denn die Sünde verhärtet immer. Wenn der Christus Gottes gesündigt hätte, hätte er die Vollkommenheit seiner mitleidigen Natur verloren“. (Spurgeon)
3. (16) Eine Einladung: Komm zum Thron der Gnade.
So lasst uns nun mit Freimütigkeit hinzutreten zum Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit erlangen und Gnade finden zu rechtzeitiger Hilfe!
a. So lasst uns nun mit Freimütigkeit hinzutreten: Weil wir einen Hohepriester haben, der sowohl allmächtig als auch mitfühlend ist, können wir freimütig zu seinem Thron kommen. Eine der zentralen Strategien Satans ist es, uns durch Entmutigung davon abzuhalten, jederzeit zu Jesus zu kommen. Der Teufel möchte manchmal, dass wir denken, Jesus sei unerreichbar, und ermutigt uns gleichzeitig vielleicht dazu, Zugang durch Maria oder Heilige zu erstreben statt durch Jesus. Manchmal möchte der Teufel, dass wir uns Jesus so vorstellen als habe er nicht die Macht uns zu helfen und nicht als denjenigen, der auf einem Thron im Himmel sitzt.
i. Freimütig bedeutet nicht stolz, arrogant oder eingebildet.
· Freimütig bedeutet, dass wir jederzeit kommen können.
· Freimütig bedeutet, dass wir ohnejegliches Zögern kommen können.
· Freimütig bedeutet, dass wir ganz schlicht, ohne extravagante Worte kommen können.
· Freimütig bedeutet, dass wir mitZuversicht kommen können.
· Freimütig bedeutet, dass wir mitAusdauer kommen sollten.
b. Der Thron der Gnade: Der Thron Gottes ist ein Thron der Gnade. Wenn wir zu ihm kommen, erlangen wir Barmherzigkeit (das bedeutet, nicht das zu bekommen, was wir verdient haben) und finden Gnade (dies bedeutet, das zu bekommen, was wir nicht verdient haben) zu rechtzeitiger Hilfe.
i. Die jüdischen Rabbis lehrten damals, dass Gott zwei Throne habe; einen Thron der Barmherzigkeit und einen Thron des Gerichts. Sie sagten dies, weil sie wussten, dass Gott sowohl barmherzig als auch gerecht war, aber diese beiden Eigenschaften nicht miteinander in Einklang bringen konnten. Sie dachten daher, dass Gott deshalb vielleicht zwei Throne habe, um die beiden Aspekte seines Charakters zu verdeutlichen. Auf dem einen Thron handelte er gerecht, auf dem anderen barmherzig. Aber hier, im Lichte des vollendeten Werkes Jesu, sehen wir Barmherzigkeit und Gericht in einem Thron der Gnade versöhnt.
ii. Bedenke, dass die Gnade nicht die Gerechtigkeit Gottes ignoriert, sie handelt im Licht des Kreuzes als Erfüllung der Gerechtigkeit Gottes.
c. Gnade finden zu rechtzeitiger Hilfe: Dankenswerter Weise sorgt Gott für Hilfe in Zeiten der Not. Keine Bitte ist zu klein, weil er möchte, „dass wir um nichts besorgt sind, sondern in allem durch Gebet … unsere Anliegen vor Gott kundwerden lassen“ (Philipper 4,6).
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